Extropic: KI-Power x10.000 effizienter durch Physik-Chips

Stand: 16. November 2025

Die Künstliche Intelligenz (KI) erlebt eine beispiellose Ära des Wachstums und der Innovation, angetrieben durch immer komplexere Modelle wie große Sprachmodelle (LLMs) und generative KI. Doch dieser Fortschritt hat seinen Preis: einen exponentiell steigenden Energieverbrauch, der die Grenzen der aktuellen Recheninfrastruktur sprengt. Inmitten dieser Herausforderung tritt ein aufstrebendes Hardware-Startup namens Extropic auf den Plan, das verspricht, die „KI-Energiewand“ mit einer radikal neuen Technologie zu durchbrechen: thermodynamischen Chips. Diese revolutionären Prozessoren nutzen die Prinzipien der Thermodynamik, um die Leistung der Künstlichen Intelligenz (KI) erheblich zu steigern und gleichzeitig den Energieverbrauch drastisch zu senken. Extropic positioniert sich damit als potenzieller Game-Changer in der Landschaft der KI-Hardware, indem es das, was bisher als Problem galt – elektronisches Rauschen – in eine Rechenressource verwandelt.

Die KI-Energiewand und die Notwendigkeit neuer Ansätze

Die rasante Entwicklung und der zunehmende Einsatz von KI-Anwendungen, insbesondere im Bereich der generativen KI, haben zu einem alarmierenden Anstieg des Energiebedarfs in Rechenzentren geführt. Experten warnen bereits vor einer „KI-Energiewand“, die eine fundamentale Hürde für die weitere Skalierung und Demokratisierung von KI darstellt. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Prognosen zufolge könnten US-Rechenzentren bis zum Jahr 2030 beeindruckende 426 Terawattstunden verbrauchen – mehr als das Doppelte des Verbrauchs von 2024. Dieser enorme Energiehunger resultiert maßgeblich aus der Art und Weise, wie traditionelle digitale Prozessoren wie CPUs, GPUs und TPUs konzipiert sind.

Herkömmliche digitale Architekturen sind darauf ausgelegt, mit binären Bits zu arbeiten, die entweder einen Zustand von 0 oder 1 repräsentieren. Die Algorithmen moderner KI, insbesondere solche, die mit Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten umgehen (wie sie in Diffusionsmodellen oder bei Stichprobenaufgaben vorkommen), sind jedoch von Natur aus probabilistisch. Digitale Prozessoren müssen diese inhärente Unsicherheit auf unnatürliche und ineffiziente Weise simulieren, was zu einem erheblichen Rechenaufwand und Energieverlust führt. Jede Operation, die Wahrscheinlichkeiten oder zufällige Prozesse nachbildet, erfordert eine Vielzahl deterministischer Schritte, die letztlich in Wärme umgewandelt werden. Es wird offensichtlich, dass ein Paradigmenwechsel in der Hardware-Architektur notwendig ist, um die Nachhaltigkeit und Skalierbarkeit der KI-Entwicklung zu gewährleisten.

Extropics revolutionärer Ansatz: Thermodynamisches Computing

Extropic, gegründet im Jahr 2022 von den ehemaligen Google-Quantenforschern Guillaume Verdon (CEO) und Trevor McCourt (CTO), verfolgt einen radikal anderen und potenziell bahnbrechenden Ansatz: das thermodynamische Computing. Anstatt das allgegenwärtige elektronische Rauschen in Silizium als Störfaktor zu bekämpfen, wie es in der traditionellen Computertechnik üblich ist, nutzt Extropic dieses Rauschen gezielt als Rechenressource. Dies ist ein fundamentaler Bruch mit konventionellen Designs, die darauf ausgelegt sind, Rauschen zu minimieren, um die Präzision zu maximieren.

Das Herzstück dieser innovativen Technologie sind die sogenannten „Thermodynamic Sampling Units“ (TSUs), die mit „probabilistischen Bits“ oder „p-bits“ arbeiten. Im Gegensatz zu den starren binären Bits, die entweder 0 oder 1 sind, repräsentieren p-bits einen Zustand der Unsicherheit. Sie können mit einstellbaren Wahrscheinlichkeiten zwischen verschiedenen Zuständen fluktuieren, was ihre Natur perfekt an die probabilistischen Algorithmen der modernen KI anpasst. Extropics Chips sind darauf ausgelegt, diese probabilistischen Algorithmen physisch als schnellen und energieeffizienten, physikbasierten Prozess auszuführen. Anstatt Wahrscheinlichkeiten zu simulieren, sind die Chips selbst probabilistisch, was eine enorme Effizienzsteigerung verspricht.

Kernmerkmale und vielversprechende Fakten

Die Ankündigungen von Extropic sind mit beeindruckenden Versprechen und ersten konkreten Entwicklungen verbunden, die das Potenzial der thermodynamischen Chips unterstreichen:

Energieeffizienz als Kernvorteil

  • Extropic behauptet, dass seine Technologie „viele Größenordnungen schneller und energieeffizienter“ sein wird als herkömmliche digitale Prozessoren.
  • Erste Simulationen zeigen, dass die Ausführung von Denoising Thermodynamic Models (DTMs) auf TSUs bis zu 10.000-mal energieeffizienter sein könnte als moderne Algorithmen auf GPUs. Dies würde eine dramatische Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks von KI-Rechenzentren bedeuten.

Prototypen und Entwicklung

  • Das Unternehmen hat bereits seinen ersten funktionierenden probabilistischen KI-Chip, den XTR-0, produziert. Dies ist ein entscheidender Schritt, der die Machbarkeit des Konzepts unterstreicht.
  • Der Prototyp XTR-0 wird bereits von einer Reihe von Partnern getestet, darunter KI-Labore, Wetter-Startups und Regierungspartner, was auf eine breite Anwendbarkeit der Technologie hindeutet.
  • Extropic hat zudem ein „Litepaper“ veröffentlicht, das seinen innovativen Ansatz detailliert beschreibt und Einblicke in die technische Funktionsweise gibt.

Hardware-Details und Zukunftsperspektiven

  • Die ersten Prototypen der Chips sind supraleitend und werden aus Aluminium nanofabriziert. Sie erfordern daher den Betrieb bei niedrigen Temperaturen, ähnlich wie einige Quantencomputer.
  • Ein wichtiges Entwicklungsziel ist es jedoch, Halbleiterbauelemente zu entwickeln, die bei Raumtemperatur betrieben werden können. Dies wäre entscheidend für eine breite kommerzielle Akzeptanz und Skalierbarkeit.

Umfassende Software-Plattform

  • Neben der revolutionären Hardware entwickelt Extropic auch eine eigene Software-Schicht namens TRHML (eine Python-Bibliothek).
  • TRHML übersetzt abstrakte Spezifikationen von Energy-Based Models (EBMs) in die Steuerungssprache der TSUs.
  • Die Software ermöglicht zudem die Simulation des TSU-Verhaltens auf bestehenden GPUs, was Entwicklern den Übergang und die Erprobung der neuen Architektur erleichtert.

Breite Anwendungsbereiche

  • Die Technologie von Extropic ist besonders gut für generative KI, Stichprobenaufgaben (Sampling), Diffusionsmodelle, Wettervorhersage und wissenschaftliche Forschung geeignet.
  • Modelle, die auf iterativem Sampling oder stochastischen Updates basieren, können von der nativen probabilistischen Natur der TSUs erheblich profitieren.

Starke Finanzierung

  • Extropic hat im Dezember 2023 eine Seed-Finanzierungsrunde in Höhe von 14,1 Millionen US-Dollar abgeschlossen, angeführt von Kindred Ventures. Dies unterstreicht das Vertrauen von Investoren in das Potenzial der Technologie.

Expertenstimmen und historischer Kontext

Die Idee, Rauschen für Rechenzwecke zu nutzen, ist in der Wissenschaft nicht völlig neu. Akademiker, darunter Forscher des renommierten Santa Fe Institute, haben die Nutzung von Rauschen für probabilistische KI-Aufgaben bereits theoretisch untersucht. Extropic scheint jedoch einen praktikablen und skalierbaren Weg gefunden zu haben, diese Konzepte in funktionierende Hardware zu überführen.

Trevor McCourt, CTO von Extropic, beschreibt die Innovation als eine neue Grundlage für KI: „Wir haben ein maschinelles Lern-Primitiv, das weitaus effizienter ist als die Matrixmultiplikation.“ Er betont, dass die entscheidende Frage nun sei, wie man Anwendungen in der Größenordnung von ChatGPT oder Midjourney auf dieser neuen Architektur aufbaut. Dies deutet darauf hin, dass Extropic nicht nur eine Nischenlösung anstrebt, sondern eine grundlegende Verschiebung in der Art und Weise, wie große, komplexe KI-Modelle trainiert und ausgeführt werden, herbeiführen möchte.

Herausforderungen und Skepsis: Der Weg nach vorn

Trotz der vielversprechenden Ankündigungen und der beeindruckenden potenziellen Vorteile gibt es auch eine gesunde Skepsis in der Tech-Community. Die Geschichte der Computerbranche ist gespickt mit Startups, die revolutionäre Hardware versprachen, aber Schwierigkeiten bei der Umsetzung hatten. Einige Kritiker äußern Bedenken hinsichtlich der ehrgeizigen Behauptungen von Extropic, insbesondere angesichts des Mangels an öffentlich zugänglichen Patenten oder wissenschaftlichen Arbeiten (Stand August 2025, basierend auf Diskussionen in Online-Foren). Es wird die Gefahr von „Hype vs. Wissenschaft“ betont und Parallelen zu früheren Tech-Startups gezogen, die große Versprechungen machten, aber scheiterten.

Zu den größten Herausforderungen gehören:

  • Skalierbarkeit: Die Überführung von Prototypen in eine massenproduzierbare und skalierbare Technologie ist ein komplexer Prozess, insbesondere bei neuartigen Hardware-Architekturen.
  • Software-Ökosystem: Obwohl Extropic eine Software-Plattform entwickelt, erfordert die Nutzung thermodynamischer Chips in großem Maßstab, dass bestehende KI-Modelle für energiebasierte Architekturen umgeschrieben oder angepasst werden. Dies ist eine erhebliche Hürde für Entwickler, die an traditionelle Frameworks gewöhnt sind.
  • Akzeptanz: Die breitere KI-Gemeinschaft muss von den Vorteilen überzeugt werden, um die notwendige Adoption und Investition in die neue Technologie zu gewährleisten.
  • Produktionsreife: Berichten zufolge wurde ein geplanter „Alpha“-Launch im Sommer 2025 verpasst, was die Komplexität der Entwicklung und die potenziellen Verzögerungen bei der Markteinführung verdeutlicht.

Extropic steht vor der gewaltigen Aufgabe, nicht nur eine funktionierende Technologie zu entwickeln, sondern auch ein robustes Ökosystem und eine überzeugende Roadmap für die breite Anwendung zu schaffen.

Fazit

Extropic präsentiert mit seinen thermodynamischen Chips einen potenziell bahnbrechenden Ansatz zur Bewältigung der wachsenden Energieprobleme der Künstlichen Intelligenz. Durch die intelligente Nutzung der Thermodynamik und die Einführung probabilistischer Bits könnte das Unternehmen eine neue Ära der energieeffizienten KI-Hardware einläuten, die die Grenzen dessen, was mit generativer KI und anderen rechenintensiven Anwendungen möglich ist, neu definiert.

Während die frühen Prototypen und Simulationen vielversprechend sind und die Finanzierung des Unternehmens das Vertrauen der Investoren widerspiegelt, wird der ultimative Erfolg von Extropic davon abhängen, ob es dem Unternehmen gelingt, seine ehrgeizigen Effizienzansprüche in großem Maßstab zu realisieren und die Akzeptanz in der breiteren KI-Gemeinschaft zu gewinnen. Die Skalierbarkeit der Hardware, die Entwicklung eines umfassenden Software-Ökosystems und die Überwindung der Trägheit etablierter Architekturen sind entscheidende Faktoren.

Die Entwicklung bei Extropic wird von der gesamten Tech-Branche genau beobachtet. Sollte es dem Startup gelingen, seine Vision zu verwirklichen, hat es das Potenzial, die Art und Weise, wie KI-Systeme gebaut und betrieben werden, grundlegend zu verändern und einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit der digitalen Zukunft zu leisten.

Quellen

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