
Stand: 18. November 2025
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Google hat am heutigen Dienstag, den 18. November 2025, offiziell Gemini 3 vorgestellt und damit ein deutliches Signal an die Konkurrenz gesendet. Nach einem Jahr, in dem der Wettbewerb um die Vorherrschaft in der künstlichen Intelligenz so intensiv wie nie zuvor geführt wurde, verlegt Google mit diesem Release den Fokus von reiner Geschwindigkeit auf tiefgreifendes Verständnis und logisches Schlussfolgern. Herzstück der Ankündigung ist der neue „Deep Think“-Modus, eine Funktion, die das Modell befähigt, komplexe Probleme mit einer bisher unerreichten Präzision zu lösen.
Der Launch verzichtet auf das laute Marketing-Getöse vergangener Jahre und konzentriert sich stattdessen auf substanzielle technische Durchbrüche. Mit der sofortigen Verfügbarkeit von Gemini 3 Pro in Gemini Advanced, AI Studio und Vertex AI positioniert sich Google neu an der Spitze der KI-Entwicklung und fordert Wettbewerber wie OpenAI und Anthropic direkt heraus.
Der „Deep Think“-Modus: System-2-Denken für KI
Die wohl bedeutendste Neuerung in Gemini 3 ist die Einführung des sogenannten „Deep Think“-Modus. Während herkömmliche Sprachmodelle oft als „System 1“-Denker fungieren – also schnelle, intuitive, aber fehleranfällige Antworten liefern –, zielt Gemini 3 mit dieser Funktion auf das „System 2“-Denken ab. Dies entspricht dem langsamen, logischen und methodischen Nachdenken des Menschen.
Technisch basiert das Modell auf einer internen „Chain-of-Thought“-Verarbeitung. Bevor eine Antwort generiert wird, zerlegt die KI komplexe Aufgaben in Teilschritte, simuliert verschiedene Lösungswege und korrigiert Fehler selbstständig. Dieser Prozess beansprucht zwar mehr Rechenzeit, führt jedoch zu drastisch reduzierten Halluzinationen und einer signifikant höheren Genauigkeit.
Google positioniert diesen Modus speziell für anspruchsvolle Anwendungsbereiche:
- Komplexe mathematische Beweisführungen
- Wissenschaftliche Forschung und Datenanalyse
- Fortgeschrittenes Software-Engineering
- Nuancierte logische Rätsel
Neue Rekorde in Reasoning-Benchmarks
Die veröffentlichten Benchmark-Ergebnisse belegen, dass es sich bei Gemini 3 um weit mehr als ein inkrementelles Update handelt. Das Modell hat in mehreren kritischen Tests neue Bestwerte gesetzt und übertrifft damit aktuelle Konkurrenzmodelle der GPT-5-Klasse oder Claude 4.5.
Besonders hervorzuheben sind die Ergebnisse im Test „Humanity’s Last Exam“, der als einer der härtesten aktuellen Prüfsteine für künstliche Intelligenz gilt. Während frühere Spitzenreiter (wie Grok 4 oder GPT-5.1 Varianten) oft im Bereich von 25 bis 30 Prozent stagnierten, erreichte Gemini 3 im Deep Think-Modus beeindruckende 41,0 % (ohne Hilfsmittel). Auch die Standard-Version Gemini 3 Pro schnitt mit 37,5 % stark ab.
Weitere signifikante Testergebnisse:
- GPQA Diamond: Mit einem Score von 93,8 % demonstriert das Modell Expertenwissen in Bereichen wie Biologie, Physik und Chemie.
- LMArena (Chatbot Arena): Gemini 3 Pro übernahm mit 1.501 Punkten unmittelbar nach Veröffentlichung den ersten Platz auf der globalen Bestenliste („Leaderboard“).
- WebVoyager: Eine Erfolgsrate von 83,5 % bei Web-Aufgaben deutet auf eine massive Verbesserung der Handlungsfähigkeit (Agentic Capabilities) hin.
Google Antigravity und Generative UI
Neben dem reinen Sprachmodell hat Google auch bedeutende Fortschritte in der Anwendungsumgebung vorgestellt. Unter dem Namen „Google Antigravity“ wurde eine neue Entwicklungsumgebung (IDE) präsentiert, die speziell für das KI-gestützte Programmieren konzipiert ist. Sie erlaubt Entwicklern, „Agenten“ zu erstellen, die autonom Code schreiben, testen und debuggen können. Durch die tiefe Integration in Gemini 3 kann Code nicht nur generiert, sondern in einer sicheren Sandbox-Umgebung direkt ausgeführt und verifiziert werden.
Zusätzlich führt Google Generative UI ein. Damit ist die KI nicht mehr auf die Ausgabe von Text oder statischen Bildern beschränkt. Fragt ein Nutzer beispielsweise nach einem Reiseplan, generiert Gemini 3 nun eine interaktive Karte und einen anklickbaren Zeitplan. Dies markiert einen Schritt weg vom reinen Chatbot hin zu einer dynamischen Schnittstelle für Informationen.
Reaktionen aus der Tech-Welt
Die Reaktionen auf den Launch fallen überwiegend positiv aus. Sundar Pichai, CEO von Google, bezeichnete Gemini 3 als „unser intelligentestes Modell bisher“, das speziell für eine „beispiellose Tiefe im Verständnis komplexer Informationen“ entwickelt wurde. Demis Hassabis von Google DeepMind betonte den strategischen Wandel hin zu „universellen Assistenten“, die in der echten Welt handeln können.
Ein besonders anschauliches Beispiel für die Leistungsfähigkeit des Modells lieferte der Historiker und KI-Tester Mark Humphries. In einem viral gegangenen Bericht zeigte er, dass Gemini 3 fähig war, kaum lesbare historische Handschriften aus dem 18. Jahrhundert zu transkribieren. Mehr noch: Das Modell interpretierte den Kontext – wie historische Währungsumrechnungen und Maßeinheiten – logisch korrekt. Humphries bezeichnete diese Fähigkeit als „spontanes, abstraktes und symbolisches Denken“, eine Hürde, an der bisherige Modelle gescheitert waren.
Fazit: Ein Wendepunkt für die KI-Entwicklung
Mit der Vorstellung von Gemini 3 und dem Deep Think-Modus meldet sich Google eindrucksvoll an der Spitze der KI-Innovation zurück. Der Fokus auf „Reasoning“ und die Fähigkeit, Probleme methodisch zu durchdenken, statt nur statistisch wahrscheinliche Worte aneinanderzureihen, könnte die Art und Weise verändern, wie Unternehmen und Entwickler KI nutzen.
Der Schritt von der „kreativen Spielerei“ hin zur „verlässlichen Arbeitskraft“ scheint vollzogen. Während der Deep Think-Modus zunächst Abonnenten von Gemini Advanced und Nutzern der Vertex AI Plattform vorbehalten bleibt, ist die Botschaft klar: Die Ära der reinen Chatbots endet, und die Ära der denkenden Assistenten beginnt.
