Google reaktiviert Atomkraftwerk für KI: Duane Arnold Energy Center wird 2029 wieder ans Netz gehen

Google reaktiviert Atomkraftwerk für KI: Duane Arnold Energy Center wird 2029 wieder ans Netz gehen

Das Duane Arnold Energy Center in Iowa wird 2029 wieder ans Netz gehen, um Googles enorm steigenden Energiebedarf für Künstliche Intelligenz zu decken. Es ist bereits das dritte stillgelegte US-Atomkraftwerk, das wegen des KI-Booms reaktiviert wird – ein historischer Wendepunkt in der Energiepolitik.

Das Duane Arnold Energy Center: Ein Kraftwerk kehrt zurück

Das Atomkraftwerk Duane Arnold im US-Bundesstaat Iowa, das im August 2020 aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt wurde, soll Anfang 2029 wieder in Betrieb gehen. Die Anlage liegt in Palo nahe Cedar Rapids am Cedar River und verfügt über einen Siedewasserreaktor vom Typ BWR-4, der von General Electric gebaut wurde. Mit einer Leistung von 615 Megawatt kann das Kraftwerk kohlenstofffreien Strom rund um die Uhr liefern.

Der Betreiber NextEra Energy hatte das Kraftwerk 2020 vom Netz genommen und auf günstigeren Windstrom gesetzt. Nun macht der explosive Energiebedarf durch Künstliche Intelligenz die Atomanlage wieder wirtschaftlich attraktiv. NextEra Energy wird im Zuge der Reaktivierung 100 Prozent der Anteile am Kraftwerk übernehmen, indem es die bisherigen Minderheitseigentümer Central Iowa Power Cooperative (CIPCO) und Corn Belt Power Cooperative auskauft.

Der Google-NextEra-Vertrag: 25 Jahre garantierte Stromabnahme

Google hat mit NextEra Energy einen Stromabnahmevertrag über 25 Jahre abgeschlossen. Der Internet-Konzern wird den gesamten vom Kraftwerk produzierten Strom für seine wachsende Cloud- und KI-Infrastruktur in Iowa beziehen. Ein Teil der Anlagenleistung geht zusätzlich an CIPCO, die ebenfalls einen langfristigen Vertrag zu denselben Bedingungen wie Google erhalten hat.

Die Wiederinbetriebnahme erfordert erhebliche Investitionen in die Modernisierung der Anlage. Die Behördengenehmigungen, insbesondere von der Nuclear Regulatory Commission (NRC), müssen noch eingeholt werden.

Massive wirtschaftliche Auswirkungen für Iowa

Das Projekt verspricht erhebliche wirtschaftliche Impulse für die Region. Laut einer Wirtschaftsstudie wird die Reaktivierung des Duane Arnold Energy Center über die 25-jährige Betriebszeit mehr als 9 Milliarden US-Dollar an wirtschaftlichen Vorteilen für Linn County und den Bundesstaat Iowa generieren.

Arbeitsplätze und Steuereinnahmen im Überblick:

  • 400 hochqualifizierte, dauerhafte Arbeitsplätze in Linn County
  • 1.600 zusätzliche Jobs während der Bauphase
  • Mehr als 75 Millionen US-Dollar Steuereinnahmen über die Projektlaufzeit
  • Jährlich über 3 Millionen US-Dollar neue Steuereinnahmen für Iowa
  • 320 Millionen US-Dollar jährliche Wirtschaftsaktivität in Linn County während des Betriebs

Seit 2007 hat Google bereits über 7 Milliarden US-Dollar in Iowa investiert. Ruth Porat, Finanzchefin von Alphabet und Google, bezeichnete das Atomprojekt als „Meilenstein für verlässliche, saubere Energie und neue Jobs im Herzen Amerikas“.

Der explodierende Energiehunger der KI

Der Grund für die Reaktivierung liegt im drastisch steigenden Stromverbrauch von Rechenzentren, die für KI-Anwendungen benötigt werden. Nach Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) wird sich der weltweite Stromverbrauch von Rechenzentren bis 2030 mehr als verdoppeln.

Aktuelle Zahlen und Prognosen zum KI-Stromverbrauch:

  • Aktueller weltweiter Stromverbrauch: 415 Terawattstunden (TWh) = 1,5 Prozent des globalen Stromverbrauchs
  • Prognose für 2030: 945 TWh – das entspricht etwa dem gesamten heutigen Stromverbrauch Japans
  • Anteil am globalen Stromverbrauch 2030: 3 Prozent
  • USA-Anteil: 45 Prozent des weltweiten Rechenzentrum-Stromverbrauchs

Eine Anfrage an ChatGPT verbraucht etwa zehnmal so viel Energie wie eine herkömmliche Google-Suche. Das Training von GPT-4 benötigte allein mehr als 62 Millionen kWh Strom – das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von 20.000 deutschen Haushalten.

Die IEA prognostiziert, dass sich der Stromverbrauch speziell für KI-optimierte Rechenzentren bis 2030 mehr als vervierfacht. Besonders kritisch: Beschleunigte Server (accelerated servers), die für KI-Aufgaben eingesetzt werden, werden ihren Strombedarf zwischen 2025 und 2030 um 225 Prozent steigern, während konventionelle Server nur um 52 Prozent zulegen.

Tech-Giganten setzen massiv auf Atomkraft

Google ist keineswegs allein mit seiner Atomkraft-Strategie. Nahezu alle großen Tech-Konzerne setzen mittlerweile auf Kernenergie, um ihren wachsenden Energiebedarf zu decken und gleichzeitig ihre Klimaziele zu erreichen.

Microsoft – Three Mile Island

Microsoft hat einen 20-Jahres-Vertrag mit Constellation Energy abgeschlossen, um ab 2028 Strom aus dem reaktivierten Reaktor Block 1 des Atomkraftwerks Three Mile Island in Pennsylvania zu beziehen. Das Kraftwerk, Schauplatz des schwersten Atomunfalls in der US-Geschichte (1979), wird 837 Megawatt liefern. Die Investition für die Wiederinbetriebnahme beläuft sich auf 1,6 Milliarden US-Dollar.

Meta – Clinton Clean Energy Center

Der Facebook-Konzern Meta hat sich für 20 Jahre die gesamte Energieproduktion des Clinton Clean Energy Center in Illinois gesichert – 1.121 Megawatt ab 2027. Dieser Vertrag rettet das fast 40 Jahre alte Kraftwerk, das 2017 eigentlich geschlossen werden sollte. Meta plant darüber hinaus den Bau eigener Atomkraftwerke in den USA mit einer Leistung von 1 bis 4 Gigawatt in den frühen 2030er Jahren.

Amazon – Susquehanna und eigene Reaktoren

Amazon bezieht bereits 300 Megawatt direkt vom Kernkraftwerk Susquehanna in Pennsylvania und hat 2024 angekündigt, eine halbe Milliarde Dollar in die Entwicklung eigener kleiner Atomreaktoren zu investieren. Der Konzern plant den Bau von Rechenzentren mit insgesamt 20 Milliarden Dollar Investitionsvolumen.

Googles zweite Strategie: Small Modular Reactors (SMR)

Parallel zur Reaktivierung von Duane Arnold verfolgt Google eine zweite Atomstrategie: Im Oktober 2024 schloss der Konzern mit dem kalifornischen Start-up Kairos Power den weltweit ersten Unternehmensvertrag über den Kauf von Strom aus mehreren Small Modular Reactors (SMRs).

Die Kairos-Power-Vereinbarung im Detail:

  • Gesamtleistung: 500 Megawatt bis 2035
  • Anzahl der Reaktoren: 6 bis 7 kleine modulare Reaktoren
  • Zeitplan: Erster Reaktor bis 2030 in Betrieb, weitere bis 2035
  • Technologie: Fluoridsalz-gekühlte Hochtemperaturreaktoren statt herkömmlicher Wasserkühlung

Die SMRs von Kairos Power nutzen geschmolzene Fluorid-Salze als Kühlmittel, was laut Hersteller sicherer ist als herkömmliche wassergekühlte Reaktoren, da die Kühlflüssigkeit nicht verkocht. Im Jahr 2023 erhielt Kairos die erste Genehmigung der US-Atomaufsichtsbehörde seit 50 Jahren für eine nicht-wassergekühlte Anlage. Der Hermes-2-Reaktor in Oak Ridge, Tennessee, soll ab 2030 bis zu 50 Megawatt ins Netz von Tennessee Valley Authority (TVA) einspeisen, die Googles Rechenzentren in Tennessee und Alabama versorgt.

Atomkraft als „grüne“ Lösung für Klimaziele

Die Tech-Konzerne argumentieren, dass Atomenergie eine kohlenstofffreie, zuverlässige Grundlast-Energiequelle bietet, die rund um die Uhr verfügbar ist – im Gegensatz zu Solar- und Windenergie. Google strebt an, bis 2030 klimaneutral zu sein. Microsoft verfolgt das Ziel, bis 2030 CO₂-neutral zu werden, doch der KI-Boom ließ die Emissionen zuletzt sogar stark ansteigen.

Kernenergie wird im Rahmen der Klimaziele als emissionsfreie Energiequelle gewertet, obwohl die ungeklärte Entsorgung radioaktiver Abfälle und Sicherheitsrisiken weiterhin kontrovers diskutiert werden.

Ein Comeback der Kernkraft durch KI

Die Entwicklung markiert eine bemerkenswerte Renaissance der Atomkraft in den USA. Jahrzehntelang wurden Kernkraftwerke als unwirtschaftlich stillgelegt, weil sie mit billigem Erdgas und erneuerbaren Energien nicht konkurrieren konnten. Der KI-Boom hat diese Rechnung komplett verändert.

Duane Arnold ist bereits das dritte stillgelegte US-Atomkraftwerk, das wegen des KI-Stromhungers reaktiviert wird. Das Palisades-Kraftwerk in Michigan wurde im Mai 2022 vom Netz genommen und ging im August 2024 bereits wieder in Betrieb. Three Mile Island für Microsoft soll 2028 folgen.

Politischer Rückenwind

Iowas Gouverneurin Kim Reynolds begrüßte das Vorhaben als „Verbindung aus Nuklear- und KI-Innovation, die Wirtschaftswachstum schafft und Amerikas Wettbewerbsfähigkeit stärkt“. NextEra-CEO John Ketchum erklärte: „Diese Partnerschaft mit Google bringt nicht nur die Kernenergie zurück nach Iowa, sondern beschleunigt auch die Entwicklung der Kerntechnologie der nächsten Generation“.

Herausforderungen und Unsicherheiten

Trotz der optimistischen Prognosen bleiben Unsicherheiten. Der Stromverbrauch von Rechenzentren hängt stark von der wirtschaftlichen Entwicklung, der tatsächlichen KI-Nutzung und möglichen Effizienzsteigerungen ab. Pläne für direkte Stromverbindungen zwischen Atomkraftwerken und Rechenzentren sind zudem auf regulatorische Widerstände gestoßen.

Im November 2024 lehnte die US-Energiebehörde FERC einen Antrag von Amazon ab, die direkte Stromabnahme vom AKW Susquehanna von 300 auf 960 Megawatt zu erhöhen, da dies die öffentliche Stromversorgung gefährden könnte.

Fazit: Die digitale Revolution treibt das Atom-Comeback

Das Duane Arnold-Projekt steht exemplarisch für einen grundlegenden Wandel in der Energiepolitik: Die digitale Revolution mit ihrem enormen Energiehunger treibt das Comeback einer Technologie voran, die lange als Auslaufmodell galt. Mit Investitionen von über 9 Milliarden US-Dollar und hunderten neuen Arbeitsplätzen zeigt sich, dass KI nicht nur die Technologielandschaft, sondern auch die Energiewirtschaft fundamental verändert.

Ob diese Renaissance der Kernkraft nachhaltig ist und ob die Small Modular Reactors der nächsten Generation die versprochenen Vorteile liefern können, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Eines ist jedoch klar: Der Energiebedarf der KI-Revolution stellt eine der größten Herausforderungen für die Tech-Industrie und die globale Energieversorgung dar.

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